Askese, Gier und Tao am Himalaya
Der weißgekleidete Sita-Yogin Krishna Das ging mit Turnschuhen voran, meine Begleiterin folgte mit Bergschuhen, ich als Nachhut barfuß.
Gegen alle Mahnung wohlwollenden Gemüts aus der Erfahrung und dazu aus der Vernunft.
Nach einiger Zeit habe ich sie motiviert, die Schuhe zum Sari, den sie auch nur von mir veranlaßt trug, aber mit stoischer praktischer Nüchternheit, auszuziehen und auch barfuß weiterzugehen, der gelegentlichen Schneeflecken wohl ansichtig, aber ohne Vorurteil.
Eine Weile war es ihr gut genug.
Am Ende des heiligen Tals an den Flanken des Himalayagebirges, noch in Himachal Pradesh gelegen, was die Landesgrenzen betrifft, noch nicht geographisch nach Tibet hineinreichend, aber tibetisiert wie die ganze weitere Umgebung, erwartete mich der Regenbogen.
Den die beiden anderen nicht sehen konnten, weil sie nach dem Paß noch den Gipfel im Programm hatten.
Es war meine Regenbogensucht, natürlich. Gierig nach Zeichen und Wundern kein magisches Erlebnis am Wegrand ungepflückt lassen! Wozu hat man als Mensch eine Intuition, wenn man sich ihres Wissens nicht bedient?
Will man doch wissen, ob man willkommen ist. Noch mehr, als man seine Hoffnung darauf bestätigt haben möchte. Ist eine Pilgerfahrt nicht zuallererst eine Prüfung?
Gilt die Ethik oder die Ästhetik, was zählt mehr?
Ist etwas spirituell oder mystisch oder magisch, weil man es so behandelt?
Dazwischen war die Weihe zum Nātha-Yogin, oder danach, das weiß ich jetzt nicht.
Im Charras-Ritual in der Runde der heiligen Männer (Sadhus) ums Feuer in der Scheune, die den Tempel ersetzte. Die Begleiterin in der zweiten Reihe, aber zu ihrer Ehre nicht ausgeschlossen.
Krishna Das war offenbar der in seiner spirituellen Autorität angesehenste unter den Anwesenden, so lag es an ihm, eine derartige Geste zu setzen, unangekündigt und sowohl informell wie in einer geflissentlichen Zeremonie.
Was macht einen Sadhu aus, ist er einer? Er wandert kreuz und quer durch das heilige Land Indien und rechnet in Jahren und Umrundungen eines Subkontinents.
Wozu? Um die Weisheit zu vertiefen und zu erweitern über das hinaus, was man aus dem Studium der Schriften in der Waldeinsamkeit erfassen kann.
Und der Durchfall, was ist mit meinem Durchfall?
Eine intuitiv veranlaßte Eingeweidereaktion, um die Schau am Horizont nicht zu versäumen?
Weil der Sadhu sich nicht nach den Konventionen der Pilgerfahrt richtet, sondern nach seinem Urteil, was im Geist des Himmels zu tun wäre?
Der Regenbogen eine rituelle Markierung von oben, als Stempel auf die Schicksale derer herunten?
Um die ersten zwanzig Jahre des Studiums zu kennzeichnen als ergebnislegitimiert, geprüft und für gut befunden, bestanden?
Den Nāthayogadharma soweit verfolgt, daß man sich auch in Indien nicht genieren muß, sondern Kollegen findet?
Gottseidank hat man sich nichts Grundlegendes vorgemacht und kann seinem Urteil offenbar genügend trauen.
Die Schriften schon während der Haushälterei studiert, ist der Weg frei gewesen, die Waldeinsamkeit in einem Aufwaschen miterledigt.
Vagabondage und Eremitage voraus, wie der Sinn selber es einem nahelegt.