Das Menschenbild der Einsichtspsychologie

 

Der Mensch ist Adam, der wider besseres Wissen und Gewissen aus der Unschuld tritt und sich über die Schöpfung erhebt. Er läßt sich in einem Zweierschritt dazu versuchen, als Eva von der Schlange, die Gottähnlichkeit im Wissen und in der Macht verspricht, als Adam hört er auf Eva, die ihrerseits schon davor auf die Schlange gehört hat.

Wie könnte er anders, wenn er den göttlichen Funken in sich hat, mit dem er geschaffen wurde. Das Mögliche drängt zur Verwirklichung. Die Begabung möchte sich betätigen.

Indem er der Versuchung widersteht, indem er seinen Stolz, seinen Neid und seine Eifersucht auf Gott im Zaum hält.

Was hätte er davon gehabt? Die Zufriedenheit mit den Dingen und Umständen, wie sie sind, die Freude des Lebens wie jedes Tier, das tut, wonach es aus dem Körper gedrängt ist, so wie es die Umstände erlauben, ohne Hintergedanken, ohne Zweifel, ohne Hoffnung, ohne Befürchtung.

Wohl in Zögern und Ermessen und Entscheiden, wohl in Absicht, Erwartung, Furcht, Angst und Panik, wohl in Vorsorge, wohl in Enttäuschung, in Schmerz, sogar in Trauer, sogar in Verzweiflung, durchaus in Neid, Mißgunst und Eifersucht – aber immer im Rahmen des Gegebenen, des Direkten und Unmittelbaren, wie es nottut und prädestiniert zur erfolgreichen Weitergabe des Lebens.

Al dies erlebt und tut der Mensch genauso, bis zu einem gewissen Alter nicht unterscheidbar von einem Schimpansen, später in weitgehender Übereinstimmung und Überschneidung.

Obwohl der Mann mehr Gene mit dem Schimpansen gemeinsam hat als mit der Frau und sie in der gleichen genetischen artenübergreifenden Nähe und artgleichen Distanz steht, um ein plakatives Charakteristikum zur Veranschaulichung zu verwenden, sind unsere Unterschiede zu den Menschenaffen so gravierend, daß sie unser Schicksal als Art entscheidend anders verlaufen ließen. Wir sind die Sieger in der Konkurrenz und Rivalität, inzwischen haushoch, turmhoch, wolkenkratzerhoch, weltraumhoch, ozeantief und weltweit überlegen.

Wir denken. Wir stellen uns vor, was nicht ist, aber sein könnte. Wir halten diese Vorstellungen, bilden sie um, bauen sie auf und ab und vergleichen sie mit dem was ist und gewesen ist. Wir ordnen dem Vorgestellten prinzipiell den gleichen, bei Bedarf auch den größeren Bedeutungsgehalt zu wie und als den Wahrnehmungen und Erfahrungen in der äußeren Welt. Das ist der Unterschied. Auch er ist nicht absolut, nur relativ, aber ausreichend, um eine eigene Spezies daran zu entwickeln.

Das Denken ist unsere Methode der Evolution, das Vorstellen des Erstrebenswerten und das Ausprobieren, wie man es aus der inneren in die äußere Welt setzen könnte. Das Umbauen unserer Lebenswelt nach Idealen, die wir uns ausdenken, die wir erfinden und zum Ziel unseres Strebens machen. Was die Untersuchung, die systematische Erforschung und die Erkenntnis der Mechanik und Logik der Zusammenhänge erfordert, nach denen diese Lebenswelt funktioniert und operiert. Wissen aus leidenschaftlicher und begeisterter Wissenschaftlichkeit. Hypothesen aufstellen und überprüfen, Ausprobieren, Lernen aus Versuch und Irrtum.

Adam gab sich mit dem Los des Menschenaffen nicht zufrieden, er war zu neugierig, zu abenteuerlustig, zu ehrgeizig, er suchte die Herausforderung des Unbekannten, des Unentdeckten und Unvorhersehbaren. Er war der geborene Forscher und Entdecker. Auf Teufel komm‘ raus.

Wir haben uns eine zweite Natur gebildet und diese Doppelnatur ist für all unser Leiden verantwortlich. Wirklich? Nein, selbstverständlich nicht, es ist unser Wille, die zweite Natur des Denkers, des Forschers und Eroberers zu kultivieren, koste es was es wolle. Es ist unser Inkaufnehmen der nicht hintergehbaren Konfliktspannung zwischen Instinkt und intelligenz, unsere Leidensbereitschaft, unsere Leidenstoleranz, aus der wir leiden wie die Schweine. Lieber gehen wir durch die Hölle, als zurückzustecken und das Satchitananda des Tierischen in uns zu genießen und zu pflegen.

Wir verzichten auf den Garten Eden und jedes Paradies und jeden Himmel und jedes Schlaraffenland der ungebildeteren oder gebildeteren Imagination. Das benutzen wir nur als Trost und Halt, zum Ausgleich der Trostlosigkeit und Haltlosigkeit, die uns immer wieder droht und oft genug blüht. Der Engel mit dem Flammenschwert mag ruhig in alle Ewigkeit die Pforte zum Garten bewachen, wir haben Interessanteres vor als zurückzukehren und ihn zu überwältigen, mit eingezogenem Schwanz, als hätten wir unser Menschenhaus auf Sand gebaut.

Jedenfalls auf absehbare Zeit, wenn es dann soweit ist, daß wir es wissen wollen, was er drauf hat mit seiner Superwaffe, warum nicht? Das ist dann was ganz anderes. Wir kämen als Sieger aller Klassen zurück, um auch das zweite Geheimnis zu lüften, das er für seinen eifersüchtigen Herrn bewacht!

Dann ist es Zeit für den Showdown, dann stehen sich zwei Schöpfer gegenüber, zwei Unsterbliche, ein Duell der Superhelden, ganz nach unserem Geschmack.

Wozu üben wir es in all den Filmen und Videospielen schon die ganze Zeit? Wir bereiten uns vor, wir trainieren, wir spielen alle Szenarien durch, mit immmer phantastischeren Schwierigkeitsgraden, in immer gewaltigeren Dimensionen des Schlachtfeldes.

Wird es nicht langsam Zeit für den Ernstfall, wir sind schließlich schon Schöpfer! Nicht besonders geschickt, noch nicht wirklich ernstzunehmen, aber die Erfahrung läßt keinen Zweifel zu, demnächst basteln wir alle Arten nach und dann erfinden wir neue, die uns selbst zum Staunen bringen!

Vielleicht sind es wir selbst, hybrid, hyperintelligent, so gut wie unsterblich und unbesiegbar dazu. Gut, es wird noch dauern, bis wir einen großen Auslöscher zurückschleudern können wie einen Ball des Gegners, den wir beim Abschießen gefangen haben, aber so lang auch wieder nicht. Kalte Kernfusion zum Beispiel und wir hätten die Power, Wurmlöcher und Warpantriebe, Gott, der Möglichkeiten sind unzählige. Irgendwann stecken wir auch eine Supernova vor unserer Haustüre weg, ein Code eingegeben und wir machen einen Sidestep in die nächstliegende Dimension der Raumzeit, bis der Spuk hier vorüber ist.

Und was heißt schon „hier“? Was soll uns in dieser Galaxie halten? Warum nicht zig Millionen Jahre als Borg im Ruhemodus unterwegs sein, bis wir auf etwas stoßen, das das Aufwachen lohnt? Wir finden sie schon, früher oder später, die Aliens; wir stöbern eine Spezies nach der anderen auf und treiben sie aus ihren kosmischen Schlupflöchern, das haben wir hier auf dem Exerzierfeld unseres Planeten schließlich auch geschafft!

Es ist alles bloß eine Frage der Zeit. Und einer gewissen Vorsicht und Zurückhaltung. Ein biologisch-chemisch-nuklearer dritter Weltkrieg würde uns ziemlich weit zurückwerfen, das muß nicht unbedingt sein. Andererseits, ein Neuanfang mit lauter Mutationen und nur ein Häuflein in ein paar Höhlen hier und dort, die den Krieg überhaupt überleben? Nicht schlecht, das Spiel! Das wäre eine echte Herausforderung. Und wer weiß, welche exotischen Fähigkeiten sich bei uns entwickeln würden! Vielleicht sollte man, nein, Quatsch – selbstverständlich müßte man aufhören mit der kindischen Angst vor einer nächsten Megakatastrophe. Die Pest haben wir auch überlebt, ohne Drama, insgesamt gesehen, und die hat immerhin ein Drittel dahingerafft.

Und wenn wir überhaupt von der Erdoberfläche verschwinden, auch aus den Höhlen? Kein ernstes Problem für das Leben, ein paar Grottenolme und jede Menge Insekten und sowieso die Meeresbewohner in den tieferen Schichten – da ist mehr als genug an Ansatzpunkten für die nächste intelligente Spezies da, man braucht sich keine Sorgen machen, das Leben ist wie Unkraut, es vergeht nicht. Naja, eher ein mißglückter Vergleich, das Unkraut ist schließlich auch bloß lebendig – jedenfalls, in diesem Sinne!

Zurück zur Doppelnatur. Sie erfordert permanentes Krisenmanagement, täglich, stündlich, jede Minute, jede Sekunde. Die Instinkte müssen supervidiert und kontrolliert werden, sie bleiben auf das Steinzeitambiente eingestellt, weil sie darauf vorbereitet sein müssen, daß die paar Sekunden der Evolution, seit denen wir eine sichere Umgebung haben und soviel zu essen, daß wir fett werden wie Walrosse, sich ohne große Vorankündigung als ephemere Abnormität entpuppen und sich wie eine Fata Morgana in nichts auflösen.

Dann sind wir wieder am harten Boden der Tasachen gelandet, auf dem alle anderen Arten kreuchen und fleuchen, ohne Antibiotika, ohne Gasetagenheizung, ohne Wasser aus dem Duschkopf und ohne Koteletts aus dem Supermarkt. Ohne Rettung, Polizei, Feuerwehr, Gerichte, Universitätskliniken, Hausarzt, Sozialamt und Fachhochschulen für Marketing und Publizistik. Sogar ohne Handies, Tablets, Laptops und Flachbildfernsehern. Nicht einmal Facebook, Google und Twitter, kein Instagram und kein Pinterest, nicht einmal Youtube! Keine Zeitungen, keine illustrierten Magazine, nicht einmal eine öffentliche Bibliothek, sowieso keine Buchgeschäfte, keine Verlage, kein Papier, kein Filzstift, kein Kugelschreiber, keine Schreibmaschine, nicht einmal ein Telefon mit einer Wählscheibe und einem Freizeichen. Auch keine Daunenschlafsäcke und kein himalayataugliches Viermannzelt, nicht einmal eine Zeltbahn, die man über ein Gerüst aus Holzstützen hängt und darunter im Spirituskocher eine Packerlsuppe wärmt.

Es ist auch kein Abenteuerurlaub bei den Watussi oder in Neuguinea oder bei den Eskimos (Inuit sagt man nicht, sagte einer, der einer ist).

Die Raubtiere sind nicht mehr im Reservat und hinter Tiergartengittern. Und sie vermehren sich rasend schnell. Das Ungeziefer auch, das unser Blut als Delikatesse und unsere Innereien als Kinderstube zu schätzen weiß. Und nicht einmal ein Fernsehteam mit Liveschaltung paßt auf uns auf, daß wir nicht die falschen Würmer und Käfer essen.

Aber die schlimmsten, gefährlichsten, grausamsten und brutalsten Feinde sind die anderen. Die anderen Menschen. Auch wenn sie die Kopfjägerei nicht unbedingt als Rechtfertigung für die eigenen gezeugten Söhne vor der Mutter Erde, der man nicht zu viel zumuten darf, wieder einführen. Wenn sich’s dafürsteht, werden die Männer und Kinder erschlagen und die Frauen mitgenommen. So ist das halt, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Die Instinkte müssen in Schach gehalten werden und zugleich herrschen dürfen, es ist eine Frage der fortwährenden Kalibrierung und Navigation. Selbstverständlich nicht erst seit dem Beginn der Zivilisation, auch nicht erst seit der genetischen Ausprägung des Homo Sapiens unserer Linie, vom Beginn der Werkzeugherstellung an, wenn man diese gleichsetzt mit der Ablösung des Stranges, der bis jetzt mit uns endet.

Ein integrierendes Selbst ist erfordert, das die Vernunft als Metakontrollinstanz benutzt und sich selbst Rechenschaft gibt, in ständiger Neuberechnung der adäquaten und optimalen Parameter für die Erfüllung der Bedürfnisse des Lebens und der Kultur.

Letztere und sonst nichts ist unser Weg des Überlebens; und das heißt, des erfolgreichen Fortpflanzens und Weiterentwickelns der technischen und sozialen Kontrolle der physischen Existenz als physische und soziale, kulturelle und politische Koexistenz und Kooperation von inzwischen Millionen und letztlich Milliarden, die voneinander abhängig und aufeinander angewiesen sind.

Ein integrierendes Selbst ist ein integriertes in der sozialen Gemeinschaft mit ihren Kreisen und Horizonten von der biologischen Sippe aufwärts und auswärts.

So wie das Physische und Biologische  von vornherein konstitutiv ein Soziales sind, so ist es ebenso das Psychische, das Denken im weitesten Sinn des Begriffs, die Intelligenz und die Vernunft.

Die Vernunft ist einerseits die des genetischen und instinktiven Egoismus und Egozentrismus des Genpools, in den der individuelle Egoismus funktional integriert ist, andererseits die des in Methode und Inhalten ebenso lang und tief und radikal evolutionären Denkens mit seinen Idealen und Idealismen kultureller Art, insbesondere mit seinen ethischen Normativen, deren Ideale sich direkt aus dem philosophischen Denken ergeben.

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