Das Selbst ist kein Organismus

Das Selbst als Begriff hier so unspezifisch wie Psyche, Bewußtsein samt Unbewußtsein, Ich oder Seele gebraucht.

Bewußtheitsprozesse, das Entstehen und Vergehen von Bewußtseinsinhalten folgt im für unsere individuelle und personale Identität Wesentlichen keinen organischen oder organismischen Prinzipien und Prozeduren, auch nicht systemischen, integralen und interaktionalen.

Derartige Eindrücke haben den Charakter von Hüllkurven, deren Umhülltes sich verbirgt, falls man den für ihre Unterscheidung notwendigen Grad der Auflösung in der Wahrnehmung nicht benutzt.

Das Organische und Organismische verführt zu seinem Gebrauch als Modell für das Psychische, aber man bastelt solche geblendet von der scheinbaren Analogie, die so glatt und rund und natürlich wirkt.

Verwendet man den Auflösungsgrad der meditativen und kontemplativen Aufmerksamkeit erweist sich nur ein ganz bestimmter und beschränkter Bereich des Erlebbaren als organismisch geordnet, nämlich die Impulse aus den Anforderungen des physiologischen Gleichgewichts, die vitalen Bedürfnisse in ihren Manifestationen als Hunger, Durst, Bewegungsdrang, Ausscheidungsdrang, sexueller Drang und dergleichen einerseits und unmittelbare Reaktionen auf gegenwärtige Bedrohungen von Leib und Leben, nach den bekannten Alternativen von Flucht, Kampf und Totstellen oder der vierten und radikalsten, der Vorbereitung auf das Sterben, andererseits.

Die Motive im direkten sozialen Quid-pro-quo, die soziobiologischen Instinktnormen gehorchen kann man im Grenzbereich ansiedeln zwischen organisch-organismisch und willensbedingt-entscheidungsabhängig.

Aber selbst das primär Vitale unterwerfen wir routinemäßig einer weitgehenden Willenskontrolle bezüglich seines Beachtens und Befriedigens, unter extremen Umständen sind wir eben durchaus auch imstande, uns zu Tode zu fasten.

Eben nicht unter extremen Umständen!

Sondern unter dem Umstand, daß wir irgendwelche physische, soziale und psychische wie philosophische Charakteristika einer Situation auf einen Begriff und in eine Logik bringen, die uns das körperliche Wohl oder das Leben selbst als irrelevant erscheinen lassen.

Vom Appetit zum Hunger zum Essen und zum Sattsein verläuft nicht von vornherein eine empfindungsgetragene Motivations- und/oder Reaktionskette ab, sondern jeder einzelne Schritt der Aufmerksamkeitszuwendung, Empfindung und Handlung ist nach unserer Beurteilung der Gesamtsituation entschieden. 

Mit der Ausnahme einiger unwillkürlicher Schutzreflexe trifft das für das ganze Spektrum des Erlebens und Verhaltens zu.

 

 

 

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