Die erschreckende Schönheit der Einsicht
Der Modus der Einsicht als Erkennensweise und Verstehensweise hat es an sich, daß er vom Objekt der Erkennensabsicht unabhängig operiert und auch davon unabhängig die Qualitäten der sich einstellenden Sichten sich bilden.
Sobald und soweit menschliches Handeln in der Fabrikation des zu erkennenden Phänomens beteiligt ist, erstreckt sich die an der Untersuchung psychischer Phänomene entwickelte psycho-logische Empathie als phänomenologische Erkenntnismethode spontan auf gesellschaftliche, kulturelle, politische und ökonomische Phänomene mit der gleichen Effizienz.
Wenn man also die Kontemplation des eigenen Erlebens in Einheit mit dem eigenen Verhalten viele Jahre systematisch betreibt, wenn man außerdem die a priori empathisch intendierte Kontemplation des beobachtbaren Erlebens und Verhaltens verschiedenster anderer Menschen längerfristig geübt hat in der instrumentellen Absicht, dadurch ein effektiverer und effizienterer Förderer ihrer Selbstintegrität und Selbstsouveränität zu werden, statt in der Mischung und Spannung mit dem egoistischen Selbstbehauptungsmotiv, wie es in privaten, familiären und in beruflichen Verhältnissen und Beziehungen der Fall ist, eröffnen sich einem in den psychologisch vermittelten weiteren sozialen Feldern und Horizonten der Betrachtung Einsichten der im Wesentlichen gleichen Tiefe, Weite, Breite, Höhe und Auflösungsbereiche (Zoombereiche) wie bei der Betrachtung des individuellen psycho-logischen Psychologischen.
Das ist schön. Es erfreut, es erhebt, es begeistert, es befriedigt.
Gelangt man dabei unversehens an Sichten, die destruktive und moralisch böse Gestaltungen von radikaler Einstrukturierung und radikaler seelischer Mißhandlung der Menschen und des Menschen als solchen erkennen lassen, erschrickt man sowohl angesichts des Ausmaßes des Bösen und ins wachsende Böse Gerichteten wie auch ob der Verantwortung, mit diesem entstandenen und nun verfügbaren Wissen entsprechend seiner Bedeutung zu verfahren.
Zugleich besteht im Auftauchen von Einsicht aus der Betrachtung von vornherein diese Kluft zum Verstehen der Phänomene aus aktiver Rekonstruktion, wie man es im üblichen Modus des Gebrauchs des Intellekts vollzieht und erlebt.
Die Qualität der Selbstoffenbarung der Dinge ist dafür kennzeichnend, das Ausdemblauenheraus des Autauchens der Einsicht, das Unvorhersehbare daran, das nicht durch intellektuelle Anstrengung seiner selbst Erzeugte, das nicht Bewirkte sondern Gezeigte und Gegebene dabei. Entsprechend der üblichen Erfahrung des Einfalls, aber weiter, breiter, umfassender und durchdringender, von einer vollständigeren Dimension, wie ein ganzes Bild im Vergleich zu einem Detail daraus.
Mit der lernt man zu leben, zugleich mit all den Neubewertungen, der moralisch und rational motivierten Skepsis gegenüber der eigenen Eingenommenheit von der Leuchtkraft der Einsicht, die eben auch eine fiktive sein kann, eine banale Idee, versehen mit dem Glorienschein und der Aura der Einmaligkeit.
Geht es allerdings darum, daß man sehen soll und muß oder eventuell doch – lieber – nur sehen könnte, gar bloß willkürlich denken könnte, da zeigt sich ein Mechanismus des Bösen samt seinen bösen Folgen in simpler Offenbarung seiner selbst, lauert die Qual.
Man will ihr nicht entrinnen, weil man ein vernünftiger Mensch ist, also setzt man sich ihr nolens volens aus. Dieses Leiden ist funktional und operational betrachtet, Teil der Gleichung, die Einsicht als Auflösung hat.
Banal wieder: wir lassen uns nur bewußt werden, was wir zu ertragen gewillt sind. Sogar noch pragmatischer: was wir gebrauchen können für unsere aktuellen Zwecke. Ist das bestmögliche Erkennen und Verstehen der – tatsächliche statt nur rationalisierte – Zweck, gerät die Gleichung ins Operieren, weil man die Frustrationen um des edlen Zieles willen in Kauf zu nehmen bereit ist.
Ein dreifaches Amen und dreimal Halleluja, Dank sei der Natur des Geistes!
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