Basiswissen EinsPsy Stufe 1
Provokation als didaktische Methode
Frank Farrelly was a therapist best known for the 1974 book Provocative Therapy, which advocated radical therapeutic moves intended to jolt the client out of his current mindset. (Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Frank_Farrelly)
Frank war ein Schüler und junger Kollege von Carl Rogers. Der damals schon arrivierte Forscher sagte zu ihm, „Wenn ich noch einmal anfangen müßte als Therapeut, dann so wie du, Frank.“ Laut Farrellys Erzählung. Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden.
Wer ist für den provokativen Stil der psychologischen und philosophischen Belehrung seit viel längerem bekannt als alle Psychotherapeuten und Psychologen zusammen? Samt der „umstrittenen“?
Die Zen-Leute, die Sufis, die Trickster genannten Schamanen, die Bhairava-Yogins, die Kaulas und Kapalins und wie sie alle genannt werden.
Wer davor? Oder darüber in der Stufe der Weisheit?
Shiva selber, der Agent Provocateur par excellence! Seine Adressaten waren von göttlichem Rang, aber das hat ihn nicht zur fruchtlosen Höflichkeit bewogen. Die Mythologie ist bevölkert mit den Wüstlingen und Schelmen, die sich zuletzt als Weise im Dienst der Emanzipation der in den Leidenschaften Verfangenen zu erkennen geben.
Drukpa Künleg war nicht nur ein Trunkenbold sondern auch der notorische Witwentröster und Verführer der jungen Mädchen. Warum war ihm keine gram sondern dankbar, und warum gilt er noch heute als eine legitime Impersonifikation der spirituellen Autorität, als Reinkarnation der indischen Sahaja-Meister Saraha und Shavaripa, die den Yoga der Spontaneität im 8. und 9. Jahrhundert zur Marke machten?
Warum und um Himmels willen, wie, sogar als ein „erwachter Buddha“ und Meister des Māhāmudra und des Dzogchen, der höchsten Lehren des tibetischen Tantrayana?
Und das, obwohl er die Kloster- und Ordenshierarchien kreuz und quer durch die endlose Hochebene mit seinem schmerzhaft treffsicheren kritischen Spott heimgesucht hatte, wofür er bei uns die Bleikammer für Casanova vorgekühlt und vorgewärmt hätte? Tibetische Yogis können sowas! Das ist wirklich wahr, es ist eine eigene Klosterolympiadedisziplin: Tummo heißt die Technik, mit der man mit der Hitze des nackten Oberkörpers den Schnee zum Schmelzen bringt.
Wer fragt sowas?
Wenn die tibetische Fach- und Volksmeinung so ist, kein tibetischer Lama und kein noch religiöser Tibeter. Schon gar kein Meister der Philosophie und der Psychologie oder, wie man im fernen Osten dazu sagt, kein spiritueller Meister.
Der Dalai Lama bewundert ihn, diese Chuzpe müßte er sich als zölibatärer und einfacher Mönch erst mühsam antrainieren!
Im frommen europäischen Mittelalter, zur gleichen Zeit im 16. Jahrhundert, wäre ihm der Platz in der ersten Reihe der Büßer in der Auto-da-fé der spanischen oder portugisischen Inquisition sicher gewesen. Die tibetischen Amtskirchenwürdenträger haben da was nicht begriffen, scheint es im Lichte der doch avantgardistischen europäischen Tradition des Geistes.
Wenn Voltaire sogar davon schreibt, daß noch 1755 in Lissabon versucht wurde, mithilfe eines solchen Bußevents das Erdbeben zu stoppen. Hat den unzivilisierten, rotgesichtigen Affen, wie Padmasambhava sie nennt, keiner die magische Kraft des Glaubens beigebracht, der Berge versetzen kann?
Wenn das die Frömmigkeit ist, für die man Tibet rundherum rühmt und so grüngelblich beneidet, daß es im ganzen akademisch gebildeten Westen ein hoffähiger Kult geworden ist, dann wäre ich schon mit 16 als Sahaja-Adept um meinen Segen gebeten worden.
Was ist die Psychologie der Provokation, daß sie sich zum Enlightenment 2.0, bei uns würde man sagen „Emanzipation von der Unmündigkeit, die höhere Stufe“, methodisch so anbietet?
Wenn man die radikal effiziente Kunst der Weisheit beachtet, die darin besteht, die Konzentration der Aufmerksamkeit so zu habituieren, daß sie für die jeweilige Aufgabenstellung verschwendungsfrei funktional ist, können wir bedenken, daß man überhaupt einmal wach genug sein muß, um zu bemerken, ob man sich funktional oder dysfunktional konzentriert und ob man das habituell kann oder alle fünf Minuten sich zureden muß wie einer kranken Kuh, daß man jetzt doch bitte lieber bei der Sache bleibt als beim Phantasieren rund um sie herum.
Jeder soll sich jetzt kurz und bündig erinnern, wie oft er was davon getan hat in den letzten Tagen und Wochen, und ob er überhaupt wach genug war dabei, um sich erinnern zu können, wie wach er war, oder ob er nur raten und schätzen kann, dann ernüchtert man schlagartig.
Noch normaler ist es, daß man nur alle paar Stunden bemerkt, daß es so im Insgesamt überblickt vielleicht angebracht wäre, sich nun doch gut zuzureden. Sonst ist der Tag vorbei und nichts erledigt, und man ist so baff vor den Wicklungen und Windungen seines spontanen Bewußtseinsbächleins, daß man sich keinerlei Reim darauf machen kann, der nicht an den Haaren herbeigezogen wäre.
Dann kann man daran denken, daß es nur unerwartete, sei es hoffnungsvoll oder furchterfüllt für unrealistische gehaltene, Ereignisse sind, die einen aufschrecken und aus jedem Dussel und jeder Träumerei herausreißen in einer Zehntelsekunde – wegen der Gefahr, die reflexhaft abzuschätzen, der Mensch instinktiv in Millisekunden aktiviert ist.
Die Lehre, ob in Worten oder in Schweigen, ob in Werken oder in Taten und Untaten vermittelt, bedient sich dieses Instinkts als Zugang, der sich dem um Belehrung suchenden oder dem in Ausbildung unter Supervision stehenden Adepten als Gelegenheit eröffnet, sich seiner Aufmerksamkeitsführung nolens volens direkt und deutlich bewußt zu werden.
Wie soll man den störrischen Esel auf dem Pfad halten, wenn man weder Seil noch Schlinge noch den Esel überhaupt erkennt und nichts sagen kann als, „Einmal zieht es mich in diese, dann wieder in jene Richtung, ich komm mir manchmal vor wie ein Betrunkener oder ein Besessener!“
Was macht der gelehrige Schüler? Das Gleiche wie der lehrende Meister, er hält sich selbst in fortlaufender Ausbildung unter Supervision, was das Gleichgewicht und daraus die Koordination und Feinkoordination der Aufmerksamkeitslenkung betrifft.
Wie gesagt, Weisheit ist ein bei uns verdorbener Begriff, den man operational definieren kann als die Übungspraxis der für die Erledigung des zu Erledigenden funktionalen Aufmerksamkeitsorganisation.
Warum ist der Esel störrisch?
Weil wir ihn bei dem stören, was er selber tun will.
Er redet vom störrischen Menschen als geflügeltem Begriff.
Aktuell psychologisch praktisch angewandt bedeutet das, daß es ein Unkonzentriertsein und eine leichte Ablenkbarkeit nicht als Persönlichkeitseigenschaft gibt, auch nicht als zufällig erlernte Gewohnheit, sondern man ist von der Seite derer, die einem die Konzentration auf etwas zumuten, das sie ihrer wert und würdig erklären, der störrische Esel und von der Seite derer, die einem das Gleiche zumuten wie man sich selbst, ein hochkonzentrierter Mitspieler.
Wir wissen es von denen, die wir ADD- und ADHD-Gestörte nennen statt des unwissenschaftlichen „störrische Esel“.
Im Computerspiel mischt wer bei den Weltmeisterschaften mit, in der Schule fällt er zweimal durch! Das gibt’s wirklich, ich schwöre es, ich weiß es. Es ist zwar schon ein Klischee, aber wie der Sozialpsychologe weiß, die stimmen mit der Realität besser überein als die allermeisten wissenschaftlichen Thesen aus nicht abweisbaren, x-mal doppelblind geprüften Hypothesen.
Die Mitspieler schreiben keine diagnostischen Gutachten für die Gebietskrankenkassa zur Finanzierung einer Kinder- und Jugendtherapie beim N.Ö. Hilfswerk oder bei der Beratungs- und Psychotherapieambulanz des Caritas Familienzentrums, wo alle Mitarbeiterinnen eingetragene Klinische- und Gesundheitspsychologinnen oder Psychotherapeutinnen sein müssen, weshalb ihr besseres Wissen um die Konzentrationsfähigkeiten ihrer Teamkollegen auch nicht in der Zeitung oder im Fernsehen als psychologische Expertenmeinung verbreitet werden.
Einen störrischen Esel braucht man nicht therapieren, er ist nicht krank sondern konsequent. Und weil auch ein noch so störrischer Esel beim Störrischsein sein Gehirn nicht abschalten kann, nennen die Neuromystiker sein Gehirn störrisch statt ihn.
Soweit ein paradigmatischer Blick auf die provokationsdeprivierte und daher selbsthypnotischen Unsinn verzapfende Welt der störrischen Psychologen.