Psychotherapie ist Seelsorge
– aber das sagt man nicht!

Blechmoschee

 

Nicht laut, zumindest. Nicht öffentlich. Nicht berufsöffentlich.

Nicht politisch öffentlich. Nicht berufspolitisch öffentlich.

 

 

Die herrschende Dummheit aus der Schlauheit
– und umgekehrt

So differenziert und wach hören und denken die Zuhörer nicht, unterstellt man.

So aufmerksam hören sich die Berufsangehörigen, die Berufspolitiker und die Politiker nicht zu beim Reden und so differenziert erfassen, verstehen und steuern sie den Sinn ihrer Rede und die Bedeutung ihrer Begriffe nicht.

Nicht, wenn es sich vermeiden läßt. Nicht, wenn man sich die Anstrengung der Wachheit und der Selbstdisziplin dafür genausogut ersparen kann.

Weil man für Dummheit und Falschheit sowieso nicht zur Rechenschaft gezogen wird, wegen Unanständigkeit schon gar nicht.

Im Gegenteil, man wird dafür geachtet, geehrt, gewürdigt und belohnt – so ist das in der Politik.

Denn Politik kann sich bekanntlich Moral nur im Rahmen des Erfolgs in der Durchsetzung der vertretenen Interessen leisten.

Und dieser Durchsetzungserfolg beruht auf dem taktischen und strategischen Eingehen von Kompromissen.

Ethik, höhere und höchste moralische Werte und Ideale der Tugenden zur Verwirklichung des Besten am Menschen, muß man in der Politik verhandeln, das heißt, man muß auf dem Hochhalten der tiefsten und höchsten Überzeugungen verzichten. Prinzipiell, von vornherein und ohne präjudizierte Grenzen.

Was auch immer zu einem Zeitpunkt und in einer Situation unter den gegebenen auf das Machtverhältnis bezogenen Umständen an Abstrichen an der eigentlich und persönlich im Privaten hochgehaltenen Ethik erforderlich scheint, um die vertretenen Interessen materieller und sozialer Natur im quid pro quo mit den Opponenten und Konkurrenten so weit wie möglich befriedigt zu bekommen, wird als legitim, weil nach dem pragmatischen Motto: Der Zweck heiligt die Mittel! vertretbar betrachtet.

So ist das, wenn man Einfluß und Macht erlangen, erhalten und vergrößern möchte. So funktioniert die Konkurrenz um Einfluß und Macht.

So gelangt man bei entsprechendem Geschick sogar zum Anteil an der Herrschaft, so erlangt man den höchstmöglichen sozialen Status, so gewinnt man die höchstmöglichen Privilegien, so werden einem die größtmöglichen Profite und deren Steigerungen zuteil.

So instrumentalisiert man das strukturell herrschende Normensystem zum eigenen Vorteil an Selbstbehauptung und Fortpflanzungserfolg, wenn man die tiefste Grundlage und den archaischen Zweck des Strebens nach oben verstehen will.

So instrumentalisiert man das scheinbar, weil öffentlich beschworene, regelnde Normensystem für die Legitimierung des Unmoralischen, indem man es mit dessen Begriffen, Prinzipien, Geboten und Verboten etikettiert, notfalls davor passend schminkt und kostümiert.

Unter der Herrschaft des Materialismus, des Mammonismus, des Geistes des Mammon, zum Beispiel wie heute in der Organisationsform des neoliberalen globalen Marktkapitalismus, eignen sich die öffentlichen Normen und Werte a priori zur Falschetikettierung des Unmoralischen als ethisch unbedenklich, weil sie laufend diesem Zweck entsprechend deklariert und definiert und dekretiert werden.

Deswegen hat sich der Begriff (ursprünglich aus dem englischen mental health) „psychische Gesundheit“ und sein implizierter Gegenpol der „psychischen Krankheit und Erkrankung“ bilden und durchsetzen lassen. Weil er den Gewinninteressen der Ärzteschaft und der Medizinindustrie insgesamt dient, sowie der Bürokratie, die das Gesundheitswesen ordnet und kontrolliert, sowie übergeordnet zu ihr dem Staat als Steuerunternehmer und last but not least, at all daraus den Politikern im Wettbewerb um die Macht.

 

Das Volk leistet sich den gesunden Menschenverstand

Die vernunftgeleitete Untersuchung, Analyse und Einsicht in die eventuelle Gleichartigkeit oder Verschiedenartigkeit des Rollenspiels Psychotherapie in Bezug auf das Rollenspiel Seelsorge wird nicht konsequent vorgenommen, weil nicht sein kann, was nicht sein soll.

Die schon traditionalisierte Abwertung und Verachtung gegenüber der kirchlichen Organisationsform dieses Seelsorge-Rollenspiel ist richtig begründbar in der falschen Autorität der Kapläne und Pfarrer, davor der Klosterbrüder zusätzlich, also der individuell höchst variablen Qualifikation der Weisheit und Reinheit des Geistes bei den Priestern, die dessen ungeachtet – und daher betrügerisch – kraft ihres von der Kirche verliehenen Amtes sich selbst als wahre Autoritäten ausgewiesen ausgaben, und so auch von den unkritischen und unmündigen Gemütern angesehen und behandelt wurden.

Heute haben wir an uns den Anspruch eines kritischen und mündigen Gebrauchs des Verstands, und sind daher stolz bedacht darauf, uns vom Begriff und Phänomen der priesterlichen Seelsorge so eindeutig zu distanzieren, daß wir ihn auch ohne das Eigenschaftswort priesterlich nicht mehr neutral oder gar enthusiastisch in den Mund nehmen;

durchaus hingegen mit Ersatzbegriffen, die ihren identischen Charakter nicht ohne Weiteres schon im Wort offenbaren, weil sie von weit weg stammen und weit Entferntes und exotisch Faszinierendes benennen, zum Beispiel Schamanismus, schamanische Rituale und Zeremonien, schamanische Heilung, schamanische Initiation, die Weisheit der Schamanen usw., usf.;

oder, aus der Affinität der Hippiegeneration zum Orient und insbesondere zu Asien: spirituelle Führung, spirituelle Anleitung, spiritueller Unterricht als Rollenspiel der Seelsorge; spirituelles Lehrer-Schüler-Verhältnis, Guru und Chela, Meister und Schüler als Rollenverhältnis;, spirituelle Befreiung, spirituelles Erwachsen, spirituelle Verwirklichung, spirituelle Weisheit als Ziel und Zweck der Seelsorge.

Das macht das Fußvolk, das sich sowas leisten kann – wer nichts hat, kann nichts verlieren! Keine Reichtümer und keine Macht und keinen Ruhm.

 

Die Nomenklatura ist dogmatisch bis zur Inquisition

Und – obszön und zynisch – aufgrund der gefährlichen Nähe der schamanistischen, buddhistischen, hinduistischen und taoistischen Formen der Seelsorge und ihrer Begrifflichkeit befleißigt sich im Kontrast dazu die Nomenklatura zusätzlich einer dogmatisch präsentierten und als Kriterium zur Erhebung des Vorwurfs der Ketzerei gegen den wahren psychotherapeutischen Glauben benutzten falschen Autorität und fiktiven Seriosität in wissenschaftlicher, rationaler und ethischer Dimension, indem sie eine bekennende Distanzierung der Berufsstandesmitglieder davon vorschreibt und deren Mangel mit inquisitorischen Methoden gnadenlos und ehrgeizig verfolgt, richtet und bestraft.

Ob katholischer oder heidnischer Priester, ob Pfarrer, Schamane, Guru oder spiritueller Meister – sie sind zur Persönlichkeitsspaltung verurteilt und ihrer mächtig erklärt, weil sie die Empathie und bedingungslose existentielle Akzeptanz samt der Lauterkeit ihres eigenen gereinigten Geistes, welche sie in ihrer absoluten, weil als spirituelle a priori existentiell allen anderen untergeordneten, ethischen Orientierung als ihre Pflicht und ihr Ideal ansehen, als eine defizitäre, illusorische, unreflektierte und den Empfänger der Seelsorge seelisch schädigende von sich weisen und ihr abschwören müssen, sobald sie einem Psychotherapieklienten gegenübertreten oder über Psychotherapie nachdenken oder zu sprechen anheben.

Weil’s sonst unseriös wäre, würde, werden könnte, werden würde. Weil dann die Standeslegitimation als  – mittlerweile – eine Art Fachdisziplin innerhalb der Medizin (siehe Deutschland, wo auch Psychologen als Psychotherapeuten unter der Autorität der Ärztekammern stehen) nicht erreichbar wäre, weil man Seelsorge nicht naturwissenschaftlich konzipieren und mit körperlichen Parametern und medizinischen Untersuchungsmethoden nicht studieren und in ihrer Wirksamkeit belegen könnte, weil auch die objektivistischen Forschungsdesigns, in denen die Individualität der Körper und damit der Heilungsmöglichkeiten unbeachtet bleibt, dem Gegenstand nicht angebracht wären, jedenfalls für jedermann als notwendigerweise den Zweck verfehlend erschienen.

Denn die Seele hält jeder für allerhöchst persönlich und einzigartig;

statt statistisch kategorisierbar und über Durchschnittswerte und Wahrscheinlichkeitstoleranzen ausreichend präzise voraussagbar reagierend auf das, was ihr entgegengebracht wird.

Zu erkennen und zu verstehen, wie man der einzigartigen Seele kommen muß, um sie zu Besserem und Höherem anzustiften, ist einer diese Einzigartigkeit erfassenden Wahrnehmung und sich auf diese Einzigartigkeit einstellungsfähigen und einlassungswilligen Verfaßtheit einer anderen Seele bedürfend. Mit einem anderen Wort: der Weisheit und ihrer Motivation aus der Liebe.

 

Die höchste Empathie, Akzeptanz und Kongruenz

O Herr, sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund!

Damit wird die qualitativ höhere als die vom normalen Menschen zu erwartende und die allerhöchste Weisheitsautorität und das Charisma eines idealen Seelenheilers beschworen.

Außer Gott im Gebet spricht man so eben Propheten, Heilige und Meister der Weisheit an.

Das richtige Wort ist es. Der richtige Ton im richtigen Wort. Die richtige Absicht und die richtige Kraft im richtigen Ton im richtigen Wort. Die Kunst der Anrede, die mitten ins Herz dringt und den Geist erhebt zum Heiligen, zum Idealen.

 

Das Wort wie Blitzschlag und Donnerknall

Das Wort, das einen trifft. Das einem durch und durch geht. Das einem Gänehaut berursacht und die Haare zu Berge stehen läßt.

Das Wort, so süß wie Honig. Das die Seele labt und den Geist befreit.

Das Wort, so erschreckend wie der Blitzschlag und so erschütternd wie der Donner, der auf ihn folgt.

Das Wort, das einem den Boden unter den Füßen wegzieht. Das einen ins Leere stürzen läßt.

Alle träumen sie vom Fliegen, aber daß das Fallen dasselbe bietet, will keiner in seinen Kopf.

Wer endlos fällt, fängt sich instinktiv, weil er die Vorwegnahme des Aufpralls nicht endlos durchspielen kann.

Er bequemt sich zur Hinnahme des Schicksalhaften und fühlt sich frei wie ein Vogel, nicht tot wie ein Stein.

 

Die freie Metapher der metaphorischen Freiheit

Er verwechselt die Metapher nicht endlos lange mit der Wirklichkeit.

Statt ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hat ihn das Wort von der Illusion eines festen Grundes unter ihnen befreit.

Statt ihn in die Tiefe zu stürzen, hat es ihn in die Höhe erhoben, von der er das Dasein aus der Vogelperspektive sieht.

Das Wort an sich heran zu lassen, sich von ihm treffen zu lassen, wie unbeabsichtigt und widerwillig es auch erlebt wurde, war sein Schritt über den aktuellen Horizont der Unfreiheit, vor dem er bisher wie gebannt zurückgeschreckt war.

Horizont nach Horizont, man erkennt, die Freiheit ist unendlich. Selbst schon in der allerengsten Unfreiheit ist der Same und das Licht, das Wasser und der Boden für den Sproß der Freiheit. Dafür ist immer Platz genug. Weil der innere Raum unendlich ist, aber das wäre jetzt präpotent, führte man es konkreter aus.

Auch überflüssig, weil jeder die Probe aufs Exempel machen kann. Denken Sie an das Allerbedrängendste in ihrem bisherigen Leben! Dann spüren sie die Enge dieser Unfreiheit. Danach spüren Sie die Größe dieser Unfreiheit. Danach spüren Sie die Weite dieser Unfreiheit. Dann denken Sie an drei Beispiele von Lebensbdrängungen, von denen Sie sagen, ich bin froh, daß mir nicht so ein Schicksal bereitet wurde!

Dann schätzen Sie den Prozentsatz Freiheit, den Sie in Ihrer Bedrängnis mehr zur Verfügung haben als die anderen, die von den vorgestellten drei schlimmeren Bedrängnissen heimgesucht sind!

Voilà!

Wäre das hier seelsorgerlich gemeint, käme jetzt noch:

Bitte, jetzt brauchen Sie aus diesem Überhang an Freiheit nur was Vernünftiges, Anständiges und Schönes machen!

 

Tipp: Der Luxus der Freiheit ist genießbar

 

Das Rezept dafür wird im Folgenden in mehreren Schritten ausgeführt.

Wir beginnen am Anfang!

 

1. Die präventive Appetitlosigkeit beschwört man so:

  • Wenn ich nur machen könnt‘, was ich wirklich wollt‘!

 

2. Das wird – nur selten eben – reformiert zu:

  • Wenn ich nur gwußt‘ hätt‘, daß ich machen könnt‘, was ich wirklich wollt‘!
  • Und das, was ich unwirklich wollt‘, dazu;
  • samt dem, was ich gar nicht wollt‘ und nie gewollt‘ hab‘ und nie im Leben je wollen tät‘!

 

3. Woraus, wenn was draus wird, wird:

  • Bis jetzt hab‘ ich noch nie etwas getan, was ich nicht wollte!
  • Es wird mir auch in Zukunft unmöglich sein!
  • Also suche ich mir’s sorgfältig aus, was ich will, weil ich’s machen werde!

 

4. Dann zeigt sich auch einmal:

  • Noch nie war ich beim Aussuchen dessen, was ich will, sorglos, und nie werde ich es sein.
  • Also bin ich jetzt einmal absichtlich sorglos, wieviel Sorgfalt die Verwirklichung dieser Absicht auch erfordert!
  • Die Sorgfalt ergibt sich zwanglos und passend aus der Sorge, die aus der radikalen Sorglosigkeit eingegangen ist.

 

5. Am Schluß endet einer vielleicht dann seinen benefaktorischen Sermon damit, daß er meint:

  • Der einzig machbare Unterschied ist der zwischen der unbemerkten sorgfältigen Wahl des Wollens und der ab und zu doch zur Kenntnis genommenen.
  • Aus diesem Unterschied nutzt man die Gelegenheit ab und zu, das Ideale zu wollen.
  • Das Ab-und-zu so zu kalibrieren, daß es weder in der Routine der Zwanghaftigkeit zu enge, noch in der Routine des Aufschiebens, bis man dazu Lust hat, zu weite blinde und dumpfe Abstände ergibt, sodaß das optimale Gleichgewicht zwischen Faszination und Kraft, sie aufkommen zu lassen und zu verfolgen, immer wieder gesucht und geprüft wird, bleibt als nächste Aufgabe.
  • Das Fleisch braucht seine Erholung, die Seele braucht einen erholten Leib, der Geist braucht die Kraft der Seele, um sich wach zu halten.

 

6. Weil wir mit gutem Beispiel vorangehen und keine Feigheit vor dem Klassenfeind zeigen und den falschen Göttern so viel Tore zu schießen bemüht, wie sich unterm ewigen Strich auszahlen könnten, können inneren und äußeren Repräsentanten aller Tugenden und Untugenden dessen versichert sein, daß jede Psychotherapie, die ihren Namen verdient, per definitionem verbis und ebenso per Definition auf der Ebene der funktionalen Prozeßanalyse von Interventionssituationen, die Entscheidungen zu einem weiteren Horizont aus der größeren Höhe des Blickwinkels inspirieren, eine Seelsorge im handfestesten Sinn des Begriff ist.

 

7. Diese Prüfbarkeit auf Handfestigkeit macht es, daß sie in der Praxis von der falschen Weisheitsautorität gegenüber dem falschen Gläubigen auf dem einen bis zum andern Pol der Weisheit in Aktion gegenüber der wahren Bemühung um diese reicht.

 

 

Kein Kainszeichen, aber es macht nichts

Aber keiner soll sich überanstrengen, die Dummheit aus der Schlauheit wie die Schlauheit aus der Dummheit sind kein Kainszeichen.

Oder irgendwie doch. Aber es schützt ja, darum geht es doch. Daß man keine Angst vor der Lynchjustiz des Mobs haben muß.

Das Blut sagt, Abel gegen Kain in alle Ewigkeit!

Was soll es machen, es glaubt, seine erhoffte Ewigkeit geht nur gegen die Ewigkeit des fremden Bluts, und es versteht nicht, daß der Geist der Schwerkraft nicht unterliegt, es kapiert nicht einmal, was das sein soll: Geist!

Eben, daher schwebt der Geist auch über den Wassern wie über den Körperflüssigkeiten, anstatt in ihnen zu schwimmen oder zu unter ihrer Oberfläche zu leben.

 

 

 

 

 

 

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