Sieben Ausgießungen des Geistes

 

1

Der Geist drängt zur radikalen Wahrheit

mein Geist

es gibt nur einen

er ist keine Entität

sondern ein Tun – das Denken

mein Denken ist es

auch das keine Entität

auch keine Methode

die ich als Eigentümer besitze

Jeder kann so denken wie ich

ich kann so denken wie jeder

jeder kann so denken wie jeder andere

es ist die Logik des wahrhaftigen Denkens

die auf die radikale Erkenntnis zustrebt

und auf die unverändert radikale Rede

ich, du und jeder folgen ihr oder nicht

 

2

Wahrhaftigkeit erlaubt kein Ich

und umgekehrt

entweder die Wahrheit oder ich

entweder ich oder die Wahrheit

meine Wahrheit ist die halbe

so wie deine und die jedes anderen

die halbe Wahrheit ist die halbe Lüge

der Körper ist ich und wir

ich für uns

das Denken ist anders

es ist für niemanden

für niemanden ist gegen niemanden

ich für uns ist gegen dich

ich gegen dich-für-euch

ich gegen alle anderen

ich-für-uns gegen alle anderen

die Wahrheit tritt hervor

wenn ich zurücktrete

 

3

Habe ich Recht

existiere ich nicht

nur wenn ich mich irre

gibt es mich

habe ich ein Faible für die Wahrheit

lasse ich mich gerne beiseite

so ist Bescheidenheit keine Tugend

sondern Vernunft

so ist Stolz kein Laster

sondern Unvernunft

das Wahre, das Gute und das Schöne

sind die Folgen der Vernunft

dem Leben zu dienen

ohne der Unvernunft das Ruder zu überlassen

ist die Kunst, nach der wir streben

wenn wir uns besinnen

die Besinnung macht den Menschen

uns zu besinnen

ist unsere Identität

 

4

besinnungslos

führt uns das Leben

besonnen

führen wir es

Folgen ist leicht

Führen ist schwer

das Leichte ist uns zu einfach

das Schwere reizt uns seit Anbeginn

das Leben staunt über uns

muß man es so weit treiben?

der Körper sehnt sich zurück

wir schaudern angesichts der Brücke

die wir abgebrochen haben

wohin wird das noch führen?

 

5

Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute

herrscht Krieg

wir haben uns losgesagt vom Reich

aber seine Macht ist unvermindert

und sein Atem reicht bis ans Ende

wir dürsten nach Frieden

aber die Kapitulation steht nicht zur Debatte

von beiden Seiten kein Einlenken

die Welt unterwirft sich nicht

und wir denken nur im Traum daran

im Tagtraum planen wir den Endsieg

im Wachzustand kitzelt uns der Wahn

in der Vernunft schütteln wir den Kopf

erschreckt und belustigt

über unser Spiel mit dem Feuer

 

6

Die teuflische Tragödie

ist nur ein Akt im Drama

der göttlichen Komödie

als Zuschauer sehen wir es voraus

als Schauspieler ist die Bühne die Welt

nach der Vorstellung

war sie lehrreich für alle

Feueralarm! Das Theater brennt

jetzt Öl oder Wasser?

Das Theater in Schutt und Asche

Schauspieler und Zuschauer verkohlt

schön für den Phönix!

Er kann sich ein neues errichten

die nächste Lehranstalt für die nächste Moral

 

7

Die Welt war schon in Ordnung

bevor der Mensch sie ordnete

die Welt bleibt in Ordnung

wie der Mensch sie auch ordnet

die Welt wird noch in Ordnung sein

wenn der Mensch nicht mehr ist

die Idee der Unordnung

ist nur ein Mittel zum Zweck

für den, der ordnen möchte

die Idee des Ordnens

führte zur Intelligenz

wir existieren

weil wir sie verfolgen

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