Zur Ökonomie des Gewahrseins
1
Wenn wir uns fragen
ob wir eigentlich glücklich sind
hegen wir Zweifel daran
wären wir es gewesen
in den Zeiten vor der Frage
hätte sie sich erübrigt
wären wir glücklich gewesen
und könnten wir uns erinnern
an die Zeiten vor der Frage
genauso verhält es sich beim Unglücklichsein
die Erinnerung gäbe Auskunft
wir bräuchten sie nicht erst bei uns einholen
Soso lala waren wir
Was heißt schon „glücklich“?
Unglücklich könnte ich nicht sagen!
Es war in Ordnung.
Ich bin eigentlich zufrieden
im Großen und Ganzen
muß ich gestehen!
2
Erst in der Auskunft
klären wir uns auf
davor ließen wir uns im Unklaren
Was für eine Zeit ist das
von der man nicht sagen kann
sie war eine glückliche oder unglückliche?
Es war gemischt
ambivalent
aber unterm Strich
der nüchternen Betrachtung
kann man zufrieden sein
zur eigenen Überraschung
scheint das der Fall
Na gut, Gott sei Dank!
Muß ein Kind nachdenken
ob es am Spielplatz schön war?
Schon wieder diese naive
Rede vom „Ehe ihr nicht wie die Kinder tut,
findet ihr den Zugang nicht
zum Himmelreich?
3
Was wir wie die Kinder tun sollen
die wir waren
ist eine Fangfrage
aus dem unkindlichen Geist
das Kind tut nicht etwas
was wir als Erwachsene nicht mehr tun
und wieder beginnen sollten
der Fall liegt umgekehrt
wir tun was
was wir als Kind nicht getan haben
das Kind unterläßt etwas
was wir als Erwachsene kaum unterlassen können
kommt uns vor
es erspart sich den laufenden Kommentar
und lenkt sich nicht ab
vom Schauen und Sehen
vom Horchen und Hören
und Spüren und Tun
4
Die Kraft schwindet mit dem Alter
eine naturgegebene Korrelation
ist unserer Lieblingshypothese
die Natur gibt nicht
was ihr nicht dient
und sie verwehrt nichts
was ihr dient
Kraftmangel gehört nicht zu ihren Gaben
wenn die Natur den kleinen Kindern
die Kraft zum Herumtollen gibt
die den lieben langen Tag vorhält
und morgen wieder
hat sie in unsere Zellen
die Kraft für unsere Antriebe gepackt
5
Wer raubte die fehlende Antriebskraft?
die jeden zu Seinem bringt
das Kind zum Kindlichen
den Erwachsenen zum Erwachsenen
den Mann zum Männlichen
das Weib zum Weiblichen
Der Kommentator ist der Räuber
das Kommentieren raubt die Kraft
der Kommentar verändert die Dinge nicht
aber er verzögert die Ausrichtung auf sie
der Kommentator, der sich selbst zuhört
schwankt zwischen Lachen und Weinen
erst identifiziert er die Gewohnheit
als Ängstlichkeit vor den Überraschungen der Welt
dann verzichtet er
auf die zwanghafte Beschwörungszauberei
und ist bei der Sache der Dinge